Problemfall Schilfbrände: Gemeinde will vorbeugen und hofft auf Hilfe der Bürger
Gegen die gehäuften, von Unbekannten gelegten Schilfbrände Anfang des Frühjahrs will die Gemeinde Reichenau nun gemeinsam mit dem Landratsamt Konstanz vorgehen.
Im März schlafen die Reichenauer Feuerwehrleute vor allem ruhig, wenn es nachts regnet. Denn dann ist die Wahrscheinlichkeit gering, dass irgendwo bei der Insel Schilf brennt. Gegen die gehäuften, von Unbekannten gelegten Schilfbrände Anfang des Frühjahrs will die Gemeinde nun gemeinsam mit dem Landratsamt (LRA) vorgehen – indem sie die vermutliche Hauptursache für die Zündeleien angeht. Es sollen mehr Schilfflächen gepflegt und gemäht werden.
Bürgermeister Wolfgang Zoll und Thomas Buser, Leiter des Amts für Baurecht und Umwelt im LRA, fordern deshalb die Bürger auf, Stellen zu melden, wo sie aufgrund des Schilfzustands Handlungsbedarf sehen. Darauf basierend soll es Ortsbegehungen geben, um zu schauen, ob und was gemacht werden kann. Wobei beide betonen, dass die Entwicklung und Umsetzung dieses erweiterten Pflegekonzepts Zeit benötigen werde. Davon profitieren sollen sowohl die Umwelt wie das Ortsbild und die Einsatzkräfte von Feuerwehr und Polizei. Bei einem Info- und Diskussionsabend wurde dies erläutert.
Das sagt der Bürgermeister:
„ Es gibt die Übereinstimmung, dass etwas gemacht werden muss und Mähen ist besser als Brennen“, so Zoll. Letzteres sei ohnehin ein Vergehen oder sogar ein Straftatbestand. Zoll meint, durch die verstärkten Pflegebemühungen im Rahmen des Uferkonzepts seien die Schilfbrände 2014 weniger geworden. Die Gemeinde werde Anregungen von Bürgern sammeln. „Es wäre wichtig, dass erste Ortstermine möglichst bald sind.“
Das sagt die Polizei:
Bei einem Schilfbrand kommen verschiedene Tatbestände in Betracht, so Manfred Banholzer. Er ist der Allensbacher Polizeipostenleiter und auch für die Reichenau zuständig. Das reiche von der Sachbeschädigung bis hin zur Brandstiftung als Tatbestand, wenn Gebäude oder gar Menschen gefährdet seien, was in den vergangenen Jahren teilweise der Fall gewesen sei. „Das heißt: Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr“, so Banholzer. Die Polizei müsse bei Brandalarm schnell am Einsatzort sein, was die Unfallgefahr steigere.
Das sagt die Feuerwehr:
Der Reichenauer Kommandant Andreas Schlegel erklärt, seine Leute seien noch mehr unfallgefährdet, weil sie in Privatautos zum Feuerwehrhaus fahren müssen. Zudem gebe es beim Löscheinsatz Gefahren. Seine Kräfte könnten dadurch finanziell, beruflich oder sogar lebenslang durch Unfälle beeinträchtigt werden. „So was muss wegen eines Schilfbrands nicht sein“, so Schlegel.
Das sagen die Naturschützer:
Das Schilfröhricht im Uferbereich sei ein natürlicher, vielfältiger Lebensbereich für Fische sowie ein optischer Schutz vor Störungen für Vögel, so Birgit Geschke von der unteren Naturschutzbehörde des Landratsamtes. Das Schilf wachse in nährstoffreichem Wasser stärker, was vor allem früher ein Thema war. Doch aus heutiger Sicht hole man beim Mähen die Nährstoffe aus dem Schilf und nicht beim Abbrennen. Illegale Ablagerungen von Grünschnitt oder Kompost im Uferbereich würden das Problem der Überwucherung verstärken. Zudem seien heute die technischen Möglichkeiten fürs Mähen besser als früher, so Geschke und Buser. Letzterer erklärt, das LRA sei bereit zu mehr Förderung und Pflege, erwarte aber im Gegenzug, dass dadurch die Schilfbrände aufhören. „Es geht um ein Geben und Nehmen.“ Wobei sicher nicht alles machbar sein werde, so Buser. Tilo Herbster, der Geschäftsführer des Landschaftserhaltungsverbands des Landkreises fügt an: „Es kann nicht sein, dass die ganze Insel zum super gepflegten Park wird.“
Das sagen die Fischer:
„Man sollte sich Abschnitt für Abschnitt vornehmen“, so Stefan Riebel, der Vorsitzende des Reichenauer Fischereivereins. Er beteuerte, dass die Fischer, die vor allem früher häufig unter Verdacht standen, keinen Nutzen aus Schilfbränden hätten. Riebel erklärte zudem, die Fischer seien zur aktiven Mithilfe bei verstärkten Pflegemaßahmen bereit.
Das sagen die Bürger:
Die Gemeinde und das LRA sind offenbar auf dem richtigen Weg. Dies legen Äußerungen nahe, die beim Infoabend im Haus der Begegnung zu hören waren. Gekommen waren gut 30 Besucher, darunter etliche aus den Bereichen Naturschutz, Feuerwehr und Fischerei. Demnach sind viele Bürger verärgert, dass in den vergangenen Jahren nur einige wenige Schilfflächen regelmäßig gepflegt wurden. „Der Rest ist verwahrlost“, sagte ein Besucher. Die Probleme werden vor allem am Fährenhorn, im Zellele in Oberzell, entlang der Seestraße sowie im Gießen zwischen Strandbad und Niederzell gesehen – dort, wo es in den vergangenen Jahren am häufigsten brannte.
Häufung im März
In den vergangenen Jahren gab es vor allem im März rund um die Insel Reichenau immer wieder Schilfbrände, wenn es einige Zeit trocken war. In den meisten Fällen vermuten die Verantwortlichen in der Gemeinde, bei Polizei und Feuerwehr dabei Brandstiftung – vorsätzlich oder fahrlässig. 2014 gab es zu Beginn des Frühjahrs fünf Schilfbrände, 2013 waren es drei, 2012 vier, 2011 acht, 2010 zwar nur zwei, dafür aber 2009 sogar elf. Dies ergebe im Schnitt eine „stattliche Zahl“, so die Polizei. (toz)